Spanische Marktszene im Sonnenschein: Stände mit Tomaten, Orangen, Paprika und Bananen, Menschen im Gespräch, im Vordergrund Isabella und Sergio, die einander zum ersten Mal begegnen.
Das erste Treffen

📖 Vorspann:
„Ankommen heißt noch nicht Zuhause sein. Doch zwischen Marktständen, Straßenmusik und vorsichtigen Gesten begegnen Isabella und Sergio einander wirklich.“

Kapitel 13 verpasst? Hier entlang!

Ankunft im Licht

Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, wurde der Horizont klar. Die Wolkendecke war aufgerissen, und darunter erstreckte sich eine Landschaft, die in sattem Grün und weichen Hügeln leuchtete. Wälder, Felder, winzige Dörfer mit Terrakotta-Dächern – alles schien in sanftes Licht getaucht, als wolle es die Fremde willkommen heißen.

Isabella hielt den Atem an. Es war, als hätte sie ein Gemälde betreten.

Der Flughafen von Santander war klein und übersichtlich. Kaum hatte sie das Terminal verlassen, roch sie das Meer – salzig, frisch, mit einem Hauch von Algen und etwas, das sie nicht benennen konnte. Vielleicht war es die Freiheit.

Sie hatte nur einen kleinen Koffer dabei. Der Bus ins Stadtzentrum ruckelte über enge Straßen, vorbei an Palmen, alten Mauern und Häusern mit verwaschenen Fassaden, die Geschichten zu erzählen schienen. Die Fenster standen offen, das Licht fiel weich durch weiße Vorhänge. Menschen saßen draußen in Cafés, tranken Kaffee, lachten. Kein hektisches Drängen, kein grauer Trott.

Die Farben waren anders hier. Das Blau des Himmels wirkte tiefer, das Grün lebendiger. Selbst der Wind fühlte sich weich an.

Isabella stieg am zentralen Platz aus, ihre Knie noch etwas wacklig vom Flug. Ein Platz mit alten Kastanienbäumen, Kopfsteinpflaster, ein Brunnen in der Mitte. Kinder spielten, ein Straßenmusiker spielte Gitarre.

Sie blieb stehen und ließ den Moment in sich sinken.

Ich bin hier, dachte sie. Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich – nicht sicher, aber wach.

Dann zog sie ihr Handy aus der Tasche und schrieb eine kurze Nachricht:
„Bin angekommen. Alles fühlt sich echter an.“

Sergios Antwort kam nur wenige Minuten später:
„Willkommen. Ich zeig dir morgen mein Lieblingscafé. Wir treffen uns um 11 Uhr auf dem Markt.“

Isabella lächelte.
Der erste Tag war noch nicht vorbei – und es fühlte sich schon an wie der Anfang eines neuen Lebens.

Zwischen Ständen und Worten

Der Wochenmarkt lag auf einem kleinen Platz zwischen alten Steinhäusern. Schon von Weitem hörte Isabella das Stimmengewirr, das Rufen der Händler, das Krachen von Obstkisten. Die Luft war erfüllt vom Duft reifer Orangen, von gebratenem Fisch, frisch gebackenem Brot und der leichten Schärfe von Manchego-Käse. Menschen schoben sich dicht aneinander vorbei, es war lebendig, chaotisch, und doch wirkte alles harmonisch – ein gewachsener Rhythmus, zu dem sie noch keinen Zugang hatte.

Sie trug ihren Rucksack locker über der Schulter, das Handy in der Hand. „Ich bin gleich da“, hatte Sergio geschrieben. Ihr Herz klopfte schneller, als sie sich zwischen den Ständen bewegte, als suchte sie nach einem versteckten Signal.

Und dann sah sie ihn.

Er stand an einem Obststand, die Sonnenbrille in die Haare geschoben, ein Netz mit Zitronen in der Hand, das Handy lässig in der anderen. Kein Zweifel: Sergio Menéndez Clavero, der Mann von den Fotos. Nur wirkte er in echt noch etwas schlaksiger, lebendiger, wärmer. Seine Bewegungen waren ruhig, fast langsam – jemand, der sich Zeit nahm.

Isabella blieb kurz stehen.
Dann hob er den Blick – und erkannte sie sofort.

Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht, offen, ohne Zögern. Er kam auf sie zu.
„Isabella?“ fragte er mit weichem Akzent.

„Ja…“ Ihre Stimme war leiser, als sie es geplant hatte. Sie lächelte zurück, ein bisschen unbeholfen.

Ein kurzer Moment, in dem beide nicht genau wussten, wie man sich begrüßt, wenn man sich eigentlich längst kennt, aber doch fremd ist. Schließlich gab er ihr einfach die Hand – seine warm, fest, ehrlich.

„Du bist wirklich gekommen.“

„Ich konnte nicht anders.“

Er lachte leise, fast überrascht. „Dann zeig ich dir jetzt meinen Lieblingsmarkt.“

Sie gingen nebeneinanderher, zwischen den Ständen. Er deutete auf getrocknete Tomaten, auf einen Stand mit alten Olivensorten, erklärte, wie man „pimientos de padrón“ richtig brät. Isabella hörte mehr als sie sprach – die Wörter klangen weich, rollten anders durch den Raum. Und dazwischen spürte sie etwas: Neugier, vorsichtige Vertrautheit. Keine Romantik, noch nicht – aber die Ahnung von etwas, das wachsen könnte.

Als sie schließlich gemeinsam auf einer kleinen Mauer saßen und Churros aßen, sagte Sergio, ohne sie anzusehen:
„Ich wusste nicht, ob du wirklich kommst. Aber ich bin froh, dass du’s getan hast.“

Isabella nickte. „Ich auch.“

In diesem Moment schien sogar der Lärm des Markts für einen Augenblick still zu stehen.

Zögernde Schritte

Isabella spürte ihre eigenen Hände zu deutlich, als sie nebeneinander durch die engen Gassen liefen. Jeder Schritt hallte leicht auf dem Pflaster wider, begleitet vom Summen der Stadt – Gesprächsfetzen, ein bellender Hund, irgendwo das metallene Klappern eines Rollladens. Sergio schien ebenfalls nicht ganz bei sich. Er nestelte an seinem Rucksackriemen, streifte sich immer wieder die Haare aus der Stirn, obwohl der Wind das längst erledigt hatte.

„Ich spreche kein Deutsch. Es ist seltsam, jetzt… mit dir zu sprechen“, sagte er schließlich auf Englisch. Sein Blick war kurz, fast scheu, aber freundlich.

„Dein Englisch ist besser als mein Spanisch“, entgegnete Isabella und lachte leise. Dann schob sie rasch ein „Gracias“ hinterher – ihr erster Versuch, mutig, unbeholfen.

Sergio lächelte schief. „Muy bien.“
Sie lächelte zurück, ein bisschen erleichtert.

Es war diese seltsame Zwischenzeit: nicht mehr anonym, aber noch keine Freunde. Sie wussten viel übereinander und doch war alles neu. Wie seine Stimme klang, wenn er ganz leise sprach. Wie sie an ihrem Ohrläppchen zupfte, wenn sie verlegen war.

„Ich weiß nicht genau, was du dir von dieser Reise erhoffst“, sagte er irgendwann, während sie an einer kleinen Kirche vorbeikamen, deren Türen offenstanden.
„Ich auch nicht“, gab sie ehrlich zurück. „Nur, dass ich da sein wollte, wo du warst.“

Er blieb stehen. Schaute sie an. Keine großen Worte. Nur ein Nicken, langsam. Dann gingen sie weiter. Zwei Menschen auf zögernden Schritten, nervös – aber mit einem kleinen, wachsenden Funken im Herzen: Neugier. Vielleicht auch etwas mehr.

📎 Abspann:
„Manchmal beginnt Nähe nicht mit großen Worten, sondern mit kleinen Gesten im Lärm einer fremden Stadt.“

Hat Dich dieses Kapitel berührt, irritiert oder neugierig gemacht?
Dann teile Deine Gedanken gern in den Kommentaren. Wenn Du anderen davon erzählen möchtest, hilfst Du Encina Alta dabei, sich weiter zu entfalten – durch ein Like, einen Repost oder einen Hinweis an Freund:innen.

Neue Kapitel erscheinen jeden Sonntag.
Folge dem Weg – Schritt für Schritt, Wort für Wort.
Zur Übersicht aller Kapitel →

Von Andrea Baer

Ich lebe in diesem Haus aus Worten und baue es Buchstabe für Buchstabe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner